Mittwoch, 5. Oktober 2016

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Hallo zusammen,

am 1.August bin ich aus Großbritannien zurück gekehrt.
Mit viel Elan und Freude habe ich Wiedersehen mit Familie und Freunden organisiert, mein Zimmer mit allem drum und dran ausgemistet und umdekoriert und vieles anderes, was ich mir sonst noch so vorgenommen hatte.
Mittlerweile bin ich wieder völlig, von Kopf bis Fuß, in Deutschland angekommen. Trotzdem wandern meine Gedanken ab und an gerne wieder nach Cambridge, zu meiner britischen Gemeinde, zu meinen britischen Freunden.

Abschließend habe ich einen reflektierenden Bericht über meinen Freiwilligendienst für alle meine Unterstützer/innen geschrieben. Von diesem sollt auch ihr profitieren. Viel Spaß beim Lesen!



Go for Europe! – Mein diakonisches Jahr im Ausland (Abschlussbericht)



Liebe Leserinnen und Leser,



vor ungefähr einem Jahr habe ich mich auf meine Reise nach Großbritannien begeben, um dort Freiwilligenarbeit zu leisten. Ganze elf Monate habe ich in Cambridge gelebt und gearbeitet und nun bin ich wieder hier – in Deutschland – Zuhause (?).

So viel ist passiert in diesem Jahr, sodass es schwierig ist die Ereignisse zusammenzufassen. So viel hat sich verändert, gerade ich selbst und doch fällt es schwer zu sagen, die richtigen Worte zu finden. 

Nach meinem Zwischenbericht, habe ich mich weiterhin mit ganzem Herz in die Arbeit gestürzt. Meine „to-do-Liste“ ist dabei immer kleiner geworden, jedoch ist mir auch immer wieder etwas Neues eingefallen. Wie meine Supervisorin Rosemary zu sagen pflegte: Mir gehen die Ideen nie aus!

Ich habe weiterhin mit Freude im Kirchencafé mitgeholfen und dabei mehr Verantwortung übernommen, z.B. als ich notfallmäßig mittwochs bei mehreren Gelegenheiten die Küche wegen Krankheitsfall und Urlaub geleitet habe. Auch war ich mehr gefragt als zu vor, weil durch den Ruhestand von Jan der Posten als Managerin neu besetzt werden musste. Ann musste sich natürlich erst einmal einfinden. Als dann noch unsere Sekretärin relativ kurzfristig schweren Herzens zu einem für sie praktischeren Job gewechselt ist, ist mir aufgefallen, dass ich irgendwie in dem Moment diejenige war, die wusste, wo sich Dinge befinden und wie diverse Geräte und Abläufe funktionieren und die, fast täglich anwesend war. Kein Wunder also, dass sich viele bei Fragen oder Bitten an mich wandten. Häufig war ich auch willig. Aber ich habe auch gelernt, Nein zu sagen und sie an die richtige Stelle zu verweisen. Schließlich musste ich mich auf meine Hauptaufgaben konzentrieren und mit meinen eigenen Kräften haushalten. Auch Rosemary hat sich als meine neue Supervisorin im zweiten Halbjahr extrem für mich eingesetzt und versucht rechtzeitig Grenzen aufzugreifen und einzugreifen, falls ich in Gefahr gehe überbelastet zu werden. Trotz alledem hat mich das nicht davon abgehalten noch diverse Projekte durchzuführen. So habe ich z.B. mit den Kindern des Kindergottesdienstes Eier für den Ostergottesdienst bemalt, eine weitere Ausstellung über Malala und dem Recht auf Bildung zusammengestellt, eine Präsentation über TimeforGod gehalten und ein Grillfest für die Gemeinde organisiert.






(Ostereier bemalen im März 2016)







(Gemeindegrillfest im Juli 2016)

Ich hatte also alle Hände voll zu tun, hatte aber auch viel Spaß dabei und war immer wieder auf‘s Neue von der positiven Resonanz begeistert. Ich weiß, was ich geleistet habe und ich weiß, dass ich zum gegebenen Zeitpunkt und für die damalig anwesend Menschen einen Unterschied gemacht habe. Ich hatte das Gefühl einen gesellschaftlichen Beitrag leisten zu können und Menschen zu helfen oder Ihnen eine Freude bereiten zu können. Das war sehr zufriedenstellend und ich bin stolz auf das, was ich geleistet habe.

Als sehr besonders und kostbar empfunden, habe ich außerdem die Momente, die ich mit Lila, der Dame aus dem Altenheim, verbringen durfte. Es ist schön, Menschen schon allein durch die bloße Anwesenheit ein Lächeln auf das Gesicht zu zaubern. Circa alle 2 Wochen kam ich für eine Stunde bei ihr vorbei um sie über Neuigkeiten zu informieren, ihre spannenden Geschichten zu hören, mit ihr zusammen zu essen oder an einer Aktivität teilzunehmen. Abgesehen von ihrer Tochter, kannte mich auch bald schon das ganze Betreuungspersonal. Ich vermisse sie sehr und führe die Gespräche mit ihr und ihrer Tochter  nun per E-Mail oder Postkarten.



(Lila und ich in ihrem Zimmer. Großes Dankeschön an die Fotografin;ihre Tochter Deidre.)

Wie gesagt, war ich auch in meinen letzten Monaten in Großbritannien sehr aktiv. Dabei habe ich aber auch gelernt, wie wichtig es ist, auf sich selbst zu achten und sich nicht selbst zu überlasten und unter Druck und Stress zu setzen. Wenn man mit sich selbst nicht im Reinen und neben der Spur ist, kann man keine 100% geben. Deshalb ist es manchmal sinnvoller, Aktivitäten zu kürzen, um seinen Akku wieder aufzuladen.

Diese Erkenntnis hat mich auch sehr stark an das christliche Konzept der Nächstenliebe erinnert. Schließlich heißt es ja da schon, dass ohne Selbstliebe auch keine Nächstenliebe möglich ist. Diese Selbstliebe bestand in meinem zweiten Halbjahr für mich z.B. darin, mir Zeit für regelmäßigen Sport zu nehmen. Dadurch habe ich mein zugelegtes Gewicht wieder reduzieren und meine Zufriedenheit mit mir selbst steigern können. Auch gab er mir die Zeit nachzudenken und meine Gedanken sortieren zu können. Auch meine Essgewohnheiten änderte ich, sagte auch mal Nein zu all den lieb gemeinten Keksen und Kuchen, trank mehr und sah mich nicht mehr verpflichtet an jedem vorgeschlagenen Ausflug teilnehmen zu müssen, usw. .

Dadurch habe ich einfach viel über mich selbst gelernt und festgestellt, was mir wichtig ist, wie z.B. im Chor zu singen.

Im April habe ich dann ein paar Tage Urlaub genommen um das wunderschöne Edinburgh zu besuchen, welches so ganz anders als Cambridge ist. Bergig, nicht flach, mit Meerzugang, nicht im Landesinneren, schottisch, nicht englisch. Eine atmosphärische Stadt, die definitiv eine Reise wert ist. Ich konnte dort bei einem Freund und Mitfreiwilligen für 3 Nächte übernachten und so auch über sein Obdachlosenprojekt mehr erfahren.



(Sonnenuntergang im Nordteil von Edinburgh in der Nähe von der WG meines Freundes)



(Blick Richtung Innenstadt vom Calton Hill in Edinburgh)

Auch ich hatte Besuch. Der Beste war wohl der meiner Eltern und meiner Patentante.

Es ist einfach etwas anderes, wenn man ihnen die Menschen, die Arbeit und die Umgebung persönlich vorstellen und zeigen kann. Sie können sich das Erzählte dann einfach viel besser vorstellen und nachvollziehen. Witzig ist auch die Erfahrung, wenn die „alte Welt“ mit der „neuen“ aufeinander trifft. Da ich während meines Freiwilligendienstes auch nicht einmal nach Deutschland für kurze Zeit zurückgekehrt bin, habe ich im Mai dann aber auch gemerkt, wie toll es doch ist, Menschen zu haben,die einen so sehr lieben oder einen schon so lange kennen. Erst da habe ich festgestellt, wie sehr ich sie doch vermisst habe.



(„Cream Tea“ probieren in einem individuell eingerichteten Café in Ely mit meinen Eltern, meiner Patentante und meiner Supervisorin Rosemary.)

Trotzdem habe ich in dem vergangen Jahr ein zweites Zuhause gewonnen. Wie ich es auf Englisch gerne erklärt habe: Großbritannien ist für mich „home“, Deutschland „home home“!

Ich bin sozusagen gefühlt halb deutsch, halb britisch. Deswegen war auch gerade die erste Woche nach meiner Rückkehr nach Deutschland emotional wieder mal sehr chaotisch. Einerseits war ich super glücklich Familie und Freunde wieder in die Arme schließen zu können, andererseits vermisste ich die geliebten zurückgelassenen Menschen sehr. Mit Begeisterung und Genuss, kaufte ich mir Laugenbrötchen oder andere Delikatessen, und fühlte mich doch irgendwie fremd.

Jedoch fiel ich in kein Loch, wie im Jahr zuvor. Dafür hatte ich gesorgt und in guten Abständen freudige Termine und wichtige organisatorische Angelegenheiten verteilt. So kann ich spätestens jetzt sagen, dass ich definitiv wieder voll in Deutschland angekommen bin und mich auch freue, wieder hier zu sein. Ich weiß ja, dass ich nach Cambridge immer zurückkehren kann und mir dort die Türen offen stehen.

Worüber ich mir nicht so sicher bin ist, wie gut ich mit meinen internationalen Freunden Kontakt halten kann oder wann ich die Emmanuelgemeinde wieder besuchen kann. Manche Dinge stehen eben in den Sternen. Das muss ich mich wohl auf mich zukommen lassen.  Dafür weiß ich aber glücklicherweise, wie es für mich weitergeht. Mit Stolz und Vorfreude kann ich sagen, dass ich ab dem 10.Oktober ein Lehramtsstudium für den Gymnasialbereich in Heidelberg anfangen werde.

Abschließend möchte ich mich nochmal bei Ihnen allen herzlich bedanken, dass  Sie mein diakonisches Jahr im Ausland finanziell unterstützt haben und mich während diesem Jahr begleitet haben. Ich hoffe, dass es Sie vielleicht auch auf die ein oder andere Weise bereichert hat. Für mich war dieses Jahr in jedem Fall eine Riesenbereicherung und eine wertvolle Erfahrung, die ich nicht bereue und immer wieder machen würde.

Go for Europe, go for foreign countries, go for the world!

Viele Grüße,

Sarah
                
(Selbst “punten” auf dem Fluss Cam mit YAG (=Young Adults Group))

Vielen Dank für's Lesen!